Montag, 12. August 2013

Trailerdreh mit Walfischknochen


Der Norden Deutschlands steht für Weite: glattgestrichenes Land bis zum Meer Und selbst wenn man an der Küste angelangt ist, muss man erst einmal breite Sandstrände und das Watt überwinden, um ans Wasser zu gelangen. Genau diese Weite ist es, die mich am Norden so sehr fasziniert, dass sie der Boden ist, auf dem mein neuer Roman „Das Geheimnis des Walfischknochens“ baut.

St. Peter Ordings Traumstrand
Bei meiner Fahrt im winterlichen März dieses Jahres nach Sankt Peter Ording, in dessen Dünen mein Verlag einen Trailer von der Agentur bürosüd drehen lässt, ist von dieser Weite allerdings nicht viel zu sehen. Jedenfalls nicht, solange ich als Autofahrerin brav nach vorn blicke. Dort sehe ich nur einen Traktor nach dem nächsten, die ich mich nicht zu überholen traue, obwohl die Einheimischen es mir mit waghalsigen Überholmanövern vormachen. Nein, da schleiche ich lieber hinterm Güllewagen her und fühle mich meiner Heldin Greta Rosenboom verbunden, für die jede Autofahrt eine Herausforderung darstellt. Außerdem ist es ein schöner Frühlingsmorgen auf ganz klassische Küstenart: Nebel liegt über den Feldern und Wiesen, während sich am Himmel die Sonne durch den Dunstschleier kämpft und diese einzigartig gedämpften Farben mit Goldstich zaubert. Nur die tickende Uhr macht mir zu schaffen, denn eigentlich sollte ich schon längst im Surferparadies Schleswig-Holsteins angekommen sein. Für die geplanten Foto- und Drehaufnahmen haben wir nur einen Tag Zeit.
Wenigstens ist der Wettergott gnädig und lässt nach Monaten des Dauerschneefalls und einer festbetonierten grauen Wand vorm Himmelszelt die Sonne scheinen, als ich endlich beim verabredeten Hotel ankomme. Da fällt es mir nicht schwer, gut gelaunt zu lächeln, obwohl mir dieser Termin – ehrlich gesagt – ziemlich schwer im Magen liegt. Dass bedingt nicht allein die Aufregung, die eigene Geschichte, mit der man viele Monate gerungen und gelebt hat, nun plötzlich in Bilder verwandelt zu sehen. Nein, es ist vielmehr die Tatsache, dass ich Kameras nur mag, wenn ich hinter ihnen stehe. Glücklicherweise bringt mich die sensationelle Aussicht des Hotelzimmers, in dem das Interview gedreht werden soll, prompt auf andere Gedanken: kilometerweit erstrecken sich die Salzwiesen St. Peters bis zum Strand, hinter dem sich ein Streifen Blau abzeichnet. Blau wie die Hoffnung, rede ich mir Mut zu.


Christiane wirkt ihre Magie
Derart beflügelt lasse ich mich von der Visagistin Christiane Theeß auf einen Stuhl befördern und darf eine Zeit lang gar nichts tun. Nur klappt das leider nicht. Vor mir sind unzählige Pinsel, Tuben und Döschen aufgebaut und besonders letztere üben eine magische Anziehungskraft auf mich aus. Allein diese schwarz glänzenden Deckel ... Lauter hübsch verpackte Schätzchen, von denen jeder erkundet werden möchte. Außerdem ist Christianes Arbeit schlichtweg zu faszinierend. Was sie mit meinem Gesicht anstellt, hat wenig mit dem zu tun, was ich morgens gelegentlich vorm Spiegel praktiziere. Hier wird mit Farben gearbeitet, als sei mein Gesicht ein Gemälde. Und genauso sieht das Ergebnis letztendlich auch aus: ein wahres Meisterwerk! Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich keine Augenringe und sogar meine vom letzten Winter arg geplagte Schnupfennase ist nicht einmal einen Hauch gerötet.
Unterdessen läuft die Zeit, denn bis zum Mittag müssen wir mit den Innenaufnahmen fertig sein. Während ich dem Farbrausch fröne und Christiane Löcher in den Bauch frage, bauen Andreas Pavelic und Anita Curic von bürosüd die Kamera auf. Als ich mich vor diesem wuchtigen Apparat wiederfinde, ist meine soeben erworbene Selbstsicherheit erst einmal dahin, bis Christiane mir ein paar Gesichtslockerungsübungen vorführt. Die kann ich zwar nicht nachmachen – oder können Sie die Lippen zu einem Pferdwiehern schlabbern lassen? Nun, ich kann das nicht – aber das Lachen hilft auch beim Lockermachen. Und noch mehr, dass sich die beiden Ladies neben der Kamera postieren und aufmunternd lächeln. Also lächle ich zurück und erzähle vom „Geheimnis des Walfischknochens“.
Seewind - ein Fotografenschreck
Nach einer Mittagspause im Strandrestaurant Arche Noah (wer seine Pasta gern so scharf mag, dass ihm die Ohren glühen, ist hier richtig) am Ende der Badbrücke wagen wir uns in den auffrischenden Nordwind, um Fotos zu machen. Der Versuch, die Wollmütze abzunehmen, endet mit dem beeindruckenden Abflug meiner Haare in Richtung Firmament. Die Mütze also rasch wieder auf den Kopf, denn auf so einem Autorenfoto ist es schon fein, wenigstens etwas Gesicht vor lauter Flatterhaar zu sehen. Am Strand lebt Andreas als Fotograph richtig auf, gelockt vom sensationellen Licht, in dem selbst verwittertes Holz großartig aussieht. Währenddessen lerne ich, dass Fotographen immer noch etwas einfällt. Anstatt ein paar Minuten entspannt in die Kamera zu lächeln, umkreise ich einen Pfahl, renne zu einer Schaukel und wieder zurück, drehe mich nach links, drehe mich nach rechts, während Anita sich mit einem Reflektor abmüht, den der Wind offenbar für einen Drachen hält, und Christiane mit stoischer Gelassenheit meine zerzausten Haare einzufangen versucht.
Dieses Spiel setzen wir am Nachmittag im beeindruckenden Dünengürtel ein wenig außerhalb fort, während der Wind an Schärfe gewinnt und einem Sand in die Augen treibt. Aber das kümmert mich mittlerweile nicht mehr, Andreas hat mich angesteckt mit seiner Schwärmerei vom sagenhaften Nachmittagslicht an der Nordsee, auch wenn wir mit den langen Schatten kämpfen, die wir werfen.
Das berühmt-berüchtigte Nachmittagslicht

Letztendlich komme ich trotz aller Motivation zu der Erkenntnis, dass die Arbeit eines Fotomodels wirklich harte Arbeit ist, egal wie spannend die Umgebung und Ideen der Leute im Team sind. Fotomodel Tanja sehnt sich plötzlich nur noch nach Wärme und einem heißen Kakao, dem besten Mittel gegen Nordwind. Dann taucht endlich die Ablösung auf: an der Wasserkante läuft ein Hund entlang. Möglichweise der alte Pirat aus dem „Walfischknochen“? Andreas und Anita beschließen, dass dieser Hund unbedingt gefilmt werden muss und entlassen Christiane und mich mit einem begeisterten Blitzen in den Augen, mit den Gedanken schon bei dem nächsten lohnenden Motiv. Wir beiden Mädels nutzen die Chance und spazieren zurück durch die Dünen, darüber plaudernd, dass wir unbedingt hierher zurückkommen wollen – zu den Salzwiesen und breiten Sandstränden von St. Peter Ording. Allerdings erst im Sommer, wenn die Sonne nicht bloß scheint, sondern auch wärmt ...